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Das Olympiazentrum in Schilksee kann auf eine zweite Chance für Olympia hoffen. Foto: Sascha Klahn

Olympia als Booster für den Sport

Kiel und Schleswig-Holstein diskutieren über die Chance für olympische Segelwettbewerbe in der Landeshauptstadt in 2036, 2040 oder 2044. Die Kieler Woche ist dafür ein Schaufenster, und so war Olympia das zentrale Thema beim Journalistenfrühstück während der Kieler Woche. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Jens Kürbis von den Lübecker Nachrichten, der den Bericht zur Diskussion dem SVSH dankeswerter Weise zur Veröffentlichung zur Verfügung stellt:

Schwimmende Tribünen für Zuschauer vor dem Hafen in Kiel-Schilksee. Funktioniert das? Ist das realistisch? Christoph Holstein hatte genug. Der in Hamburg für den Sport zuständige Staatsrat beugte sich auf seinem Hocker nach vorn, klopfte sich auf die Brust und ergriff das Mikrofon: „Wir fliegen auf die Rückseite des Mars, schicken von da gestochen scharfe Fotos und wir diskutieren hier über schwimmende Tribünen, ob das geht.“

Die Diskussion habe er in Hamburg bei der Vorstellung der Idee einer Eröffnungszeremonie mit Pontons auf der Binnenalster auch gehabt. „Wir machen uns doch weltweit lächerlich, wenn wir sagen, wir wollen bei Olympia richtig groß mitspielen, aber wir trauen uns nicht zu, schwimmende Tribünen irgendwo hinzusetzen. Nur, weil Leute sagen, dass es Probleme geben kann.“ Sein Credo: „Wir müssen wieder dahin, dass wir uns was zutrauen, dass wir Großes vorhaben. Wenn wir diesen Mut nicht haben, dann brauchen wir erst gar nicht in die internationale Bewerbung zu gehen.“

Sein Appell: „Wir müssen raus aus diesem Gedanken, alles ist schwierig, alles ist schlecht, alles ist schlimm. Wir sind eine starke Wirtschafts-Nation, es sind Schwerpunkte für Wissenschaft, für Forschung hier. Wir können das!“

Die deutsche Olympia-Bewerbung für 2036, 2040 oder 2044 – beim Seglerfrühstück der schleswig-holsteinischen Sportjournalisten war dies das Thema. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde in Schilksee über den Wettstreit zwischen Berlin, München, Rhein-Ruhr und Hamburg gesprochen, das Segelrevier, Sportstätten und auch den Hyperloop, der zwischen Kiel und Hamburg Reisen in einer Röhre mit bis zu 1000 km/h ermöglichen soll. Die Themen im Überblick:

Kiel und Hamburg in einem Boot

Hamburg hat sich in der Entscheidung des Segelreviers, Kiel oder Rostock-Warnemünde, als einziger Bewerber für Kiel ausgesprochen. In Kiel sind zudem Rugby im Holstein-Stadion und Handball vorgesehen. „Die Entscheidung für den Segelstandort Kiel war naheliegend. Ein Wert unserer Hamburg-Kiel-Konzeption ist das Thema kurze Wege“, erklärt Holstein. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer ergänzt: „Das bekommen wir alles hin. Anfang des nächsten Jahres haben wir den Spatenstich für das neue Holstein-Stadion. Die Erfahrung von 1972 hat gezeigt, dass alles, was man sowieso braucht, wie damals den Autobahnanschluss, man schneller und entschlossener macht. Das ist dieser Push, dieser Booster.“

Gesellschaft und Akzeptanz

Hamburg plant nach der gescheiterten Bewerbung für die 2024-Spiele, dem Nein der Bevölkerung im November 2015, erneut ein Referendum – am 31. Mai 2026, kurz nach dem Hamburg-Marathon. „Diese positive Grundstimmung wollen wir mitnehmen, wir haben aus den Fehlern gelernt. Wir hatten damals eine Anfangseuphorie, die dann verflogen ist. Wir werden die Dramaturgie ändern“, sagt Holstein. Geplant ist ab März eine Art Wahlkampf. Die Botschaften: Sportstätten, wie eine neue Leichtathletik-Arena, die später der HSV nutzt, oder die Elbdome-Arena, werden sowieso gebaut. Die fünfte Sportstunde an Schulen. Transparenz beim Thema Kosten. Warum Hamburg überhaupt ein Referendum will, obwohl das von DOSB und IOC nicht gefordert ist, erklärt Holstein so: „Wir möchten das Heft des Handelns in der Hand haben, um eventuellen Gegen-Initiativen, für die es in Großstädten schnell genug Unterschriften gibt, zuvorkommen. So können wir den Zeitpunkt des Referendums wählen und die Öffentlichkeitsarbeit darauf abstellen.“

Kiel plant das Referendum zeitgleich

„Doch wir können es zu allen Jahreszeiten“, sagt Kämpfer und ist sich wie schon 2015 sicher, dass das Ja kommt. Magdalena Finke, in Schleswig-Holstein für den Sport zuständige Staatssekretärin, ergänzt: „Das Schöne ist, dass die Bewerbung nachhaltig ist. Wir bauen zum Beispiel eine Bootshalle, unabhängig von Olympia. Das muss, das wird weitergehen, auch um den Breitensport zu stärken. Unsere Botschaft ist: Wir haben Bock auf Olympia.“

Segelrevier – Schilksee oder Warnemünde

Mona Küppers, Präsidentin des Deutschen Segler-Verbandes, will sich nicht festlegen: „Wir haben die komfortable Situation, dass olympisches Segeln in zwei Revieren möglich ist.“ Aber: „Allein die Tatsache, dass wir hier sitzen, unseren Standort in Kiel immer weiter ausbauen, sollte den Hinweis geben, womit ich sehr, sehr zufrieden wäre.“ Kiels OB Kämpfer sieht drei Vorteile gegenüber Warnemünde: „Die wirkliche Unterstützung in der Bevölkerung, der Standort der Segelnationalmannschaft ist Kiel und das Renommee in der Welt des Segelns.“

Kieler Woche und Olympia

Das olympische Kiten wurde zur Kieler Woche mangels Masse abgesagt. „Das Kiten ist noch eine sehr eigenständige Segelsportart, also mit einer eigenen Szene und einem eigenen Kalender. Und da sind wir als klassischer Segelsportort eben noch nicht auf der Agenda”, erklärte Kieler-Woche-Organisationsleiter Dirk Ramhorst, „wir haben aber vor einem Jahr die iQFoils auch abgesagt, jetzt haben wir mehr als 100 am Start. Das sind Dinge, wo wir uns kontinuierlich weiterentwickeln müssen. Wichtig ist aber, dass Segeln olympisch bleibt. Und das ist nicht in Stein gemeißelt. Das IOC funktioniert wie ein Unternehmen, das bewertet alle vier Jahre die Attraktivität des Portfolios und wir, auch die Kieler Woche, muss da seinen Beitrag leisten, Segeln attraktiv zu halten. Zuschauer gerecht, mediengerecht, Social Media gerecht und auch von den Kosten.“

Mehrwert für den organisierten Sport

„Durch eine Olympia-Bewerbung wird der Sport mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft getragen. Er wird sichtbarer, auch in seiner Vielfalt“, sagt Barbara Ostmeier, frisch gewählte LSV-Präsidentin. Olympia wäre auch ein Booster für inklusive Sportarten und die Sanierung der Sportstätten. „Wir haben da einen immensen Sanierungsstau.“ Ohne Sportstätten werde es kein Olympia geben. „Wir müssen Sport und Bewegung auch an die Schulen bekommen. Die Athleten der Zukunft, sind die Kinder von heute an den Schulen.“

Hyperloop

Futuristisches Transportsystem oder Unsinn? „Wir haben uns Kiel und Hamburg 2040 vorgestellt, darauf eingelassen, Ideen für moderne Mobilität zuzulassen”, erklärt Holstein und nennt als Beispiel autonomes Fahren. „Da hätten wir doch alle vor 15 Jahren gesagt, klappt nie, zu gefährlich. In ein paar Jahren wird das real sein. Und jetzt sagen wir Hyperloop. Ich könnte, mich mit meiner Frau hier in Kiel in 20 Minuten zum Kaffee treffen. Das hört sich abgefahren an. Aber wenn wir irgendwann in die Situation kommen, dass es in China, Frankreich oder Griechenland fährt, nur bei uns nicht, weil wir gesagt haben, wir können das nicht, wäre das verheerend. Wir müssen uns da annähern. Und mit Sicherheit kann es der Steuerzahler nicht zahlen. Dafür ist es zu teuer.“

Der weitere Fahrplan

Bis Mai 2026 ist ein Referendum möglich, anschließen werden die Konzepte durch die Bundesregierung und den DOSB geprüft und eine Empfehlung ausgesprochen. Die Vertreter des organisierten Sports, der DOSB, entscheiden Ende 2026, wer für Deutschland ins Olympia-Rennen geht. „Natürlich wird es drei Verlierer geben, das liegt am System”, erklärt Barbara Ostmeier, „um so wichtiger ist es, zu vermitteln, dass es um und für den Sport in ganz Deutschland geht.“